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Dir kann ich alles sagen

Wer mit seinem Kind beten will, muss sich erstmal über sein Gottesbild klar sein

Von Stefanie Bock

© GettyImagesDie meisten Kinder beten vor dem Schlafengehen.

Bücher mit Gebeten für Kinder gibt es viele. Geht es nach Natalie Ende, sollte man davon besser die Finger lassen. Die Referentin für Gottesdienste mit Kinder im Zentrum Verkündigung ist keine Freundin von Vorformuliertem.

Abend für Abend, wenn Simone ihren Sohn Konstantin ins Bett bringt, falten die beiden ihre Hände und beten zu Gott. »Mir hilft es, wenn ich mich im Gebet an Gott wenden kann. Und das möchte ich an meinen Sohn weitergeben«, sagt die 41-Jährige. Wie viele Eltern wie Simone mit ihrem Kind täglich beten, weiß niemand genau. »Das Beten ist etwas worüber man nicht so gern spricht«, weiß Natalie Ende, Referentin für Gottesdienste mit Kindern im Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Ähnlich wie bei Simone und Konstantin sind in vielen Familien die Augenblick vor dem Einschlafen von Ritualen geprägt. Dann ist Zeit, miteinander zu kuscheln, eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen oder ein Lied zu singen. In diese von Zweisamkeit geprägten Momente lassen sich Gebete integrieren.

Kinder haben viele Fragen. Sie wollen wissen, warum gibt es eine Welt, warum bin ich, warum sterben wir? »Und mit all diesen Fragen, beginnst du auch nach Gott zu fragen«, schreibt Religionspädagoge Rainer Oberthür in seinem Buch »Das Vater Unser«. Darin führt ihr Kinder an das Beten heran. Natalie Ende ist überzeugt, dass Kindern eine Gottesbeziehung wichtig ist. Es kann sein, dass ein Kind sich mit all diesen Fragen an seine Eltern wendet. Genauso gut können Eltern aber auch spüren, dass ihr Kind etwas belastet, worüber es mit niemandem reden kann und dann dem Kind von Gott erzählen.

Wann dieser Zeitpunkt kommt, sei unterschiedlich. Bereits im Kindergartenalter verfügten Kinder zwar über eine Beziehung zu Gott, seien aber noch nicht fähig diese in Worte zu fassen. Die Jungen und Mädchen empfänden Gott wie eine Quelle, die sie erfrischt oder wie Burg, die sie schützt. Über diese Metapher zu sprechen, gelinge Kindern im mittleren Grundschulalter gut. Und genau diese unterschiedlichen und mehrstimmigen Bilder von Gott, sollten auch in Gebeten aufgenommen werden.

Beten sollte einem selbst am Herzen liegen

Doch was, wenn die Eltern unterschiedlich zum Glauben stehen wie es bei Simone und ihrem Mann Martin der Fall ist? Dann rät die Expertin zum offenen Gespräch darüber, in dem jede Seite erklärt, was Glaube für ihn ist oder eben nicht ist. »Das Kind wird mit dieser Ambivalenz gut groß werden«, ist Ende überzeugt.

Von einem rät sie entschieden ab: Nur des Kindes wegen, mit dem Beten anzufangen. Beten sei, in einer Beziehung zu Gott zu sein. Diese Beziehung könne das Kind dann bei seiner Mutter, seinem Vater oder der Oma abspüren. »Wenn ich nur denke, für mein Kind könnte das Beten gut sein und deshalb machen wir das mal, bin ich in der falschen Spur«, so die Referentin. Stattdessen sollte das Beten einem selbst am Herzen liegen.

Ihre Regel Nummer eins lautet: »Ich fange bei mir selbst an«. Wie ich bete, das weiß ich nur aus mir selbst raus. Denn die Gebete zu Gott werden stark vom eigenen Gottesbild geprägt. Deshalb lehnt die Referentin auch vorformulierte Gebetstexte ab. »Es gibt keine Regel, keine Rahmenbedingung, die zeigt, so ist es richtig. Ich muss mit mir geklärt haben, welche Gottesbeziehung ich habe«, sagt die Theologin und fügt an: »Für uns Erwachsene geht es da ans Eingemachte.« Glaube ist nichts, was man wie Religion Kindern im Unterricht beibringen kann. Glauben muss man selbst spüren. Und Kinder spüren ihn bei ihren Eltern ab, spüren dass es eine Kraft zum Leben sein kann, ist Natalie Ende gewiss. In den Worten des Gebetes, breche man sein Gottesbild auf das Kind herunter.

Für die einen ist Gott ein Begleiter, an den sie sich jederzeit wenden, dem sie alles im Gebet erzählen können. »Dann kann man beispielsweise sagen: Heute war ein schöner Tag, aber wir machen uns ein bisschen Sorgen um die Oma, pass doch bitte auf«, so Ende. Rainer Oberthür erklärt es Kindern so: »Du kannst Gott alles sagen, was dir wichtig ist,was dich traurig macht, worüber du glücklich bist. Es gibt vor Gott keine falschen oder dummen Worte. Er kennt deine Gefühle und Gedanken. bevor du sie aussprichst. Es reicht schon, wenn du zu ihm sagst: Ich bin da! Denn Gott ist auch immer schon da«. Diese Botschaft können die Kinder ein ganzes Leben lang begleiten, in guten und in schweren Zeiten.

Verwenden Sie nicht die Formulierung ›Lieber Gott‹

Ein anderes Bild von Gott, das Gebete präge, ist: Du Gott, starker Vater kannst alles wieder heil machen. »Dann bitten wir Gott wissentlich um Hilfe, weil wir überzeugt sind, wenn wir beten dann passiert uns oder unserer kranken Oma nichts«, so die Referentin und ruft zur Vorsicht auf: Denn schnell führe dieses Gottesbild Eltern in Erklärungsnot, nämlich, wenn dann doch etwas Schlimmes passiere, die Oma beispielsweise sterbe.

Von einem rät Natalie Ende entschieden ab: »Verwenden Sie nicht die Formulierung ›Lieber Gott‹« Welcher Erwachsene glaubt schon, dass Gott immer lieb ist? »Warum sagen wir bei Kindern immer ›lieber Gott‹? Weil wir für sie eine heile Welt haben wollen. Aber hilft das? Ist der Glaube nicht gerade gut, weil er uns hilft, die nicht heile Welt auszuhalten?«, fragt Ende. »Das Schwere den Kindern zu nehmen, ist ein Verrat am Glauben«, warnt Theologin.

Im Gebet steckt Kraft zur Veränderung

Was, wenn das Kind in der Schule von seinen Mitschülern gemobbt wird und abends den »lieben Gott« bittet, ihm morgen zu helfen, aber am nächsten Tag wieder gequält wird, wieder alleine ist, nichts besser ist als am Vortag? Wenn Gott als allmächtiger Aufpasser vermittelt wird, kommt es früher oder später dazu, dass die reale Erfahrung des Kindes und sein Gottesverständnis weit auseinander klaffen. Es sieht, dass das Gerede, Gott könne alles heil machen, falsch und seine Macht viel eher begrenzt ist. Durch solche Ereignisse gelange das Kind früher oder später zur Überzeugung: »Das ist doch alles Käse« und verschließt sich für den Glauben.

So sei es besser zu beten »Gott, in der Schule ist es total doof, immer nur bin ich der Außenseiter, was kann ich denn da nur machen und dann sage ich nicht, gib mir eine Eingebung, hilf das sie mich morgen in Ruhe lassen. Aber dennoch ändere sich für den Betenden etwas. Ich bin nicht mehr alleine. Der mitbetende Erwachsene nehme die ausweglose Situation des Kindes war. »Und darin steckt Kraft zur Veränderung, auch Gotteskraft zur Veränderung«.

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